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Wildnis und Casinos

Barbara Willensdorfer, Clemens Matzka und Georg Schubert im TAG, Wien 2006, Regie: Gernot Plass (Foto: Verena Schäffer)

© S. Fischer Verlag, Aufführungsrechte S. Fischer Verlag Theater & Medien
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Textausschnitt

1

NICK Ich war heute in der Stadt und da habe ich eine Schatzkarte gekauft. Ich habe jemanden kennen gelernt, der mir eine Schatzkarte angeboten hat. Und als er mir die Karte gezeigt hat, da konnte ich nicht mehr nein sagen. Als ich die Karte gesehen habe, war ich sofort magisch davon angezogen.

JONATHAN Aber du kannst nicht in irgendeinem Shop oder irgendeinem Café von irgendjemandem eine Schatzkarte kaufen.

LUCY Schatzkarten werden nicht einfach so verkauft.

CARLOS Schatzkarten werden nicht in irgendwelchen Shops oder Cafés verkauft.

NICK Eigentlich hätte ich so eine Karte auch nie gekauft, aber ich musste diese Karte kaufen. Ich war von dieser Karte magisch angezogen.

RITA Du hast von jemandem etwas gekauft, mit dem du kein Vertrauensverhältnis hattest.

LUCY Du hast jemandem vertraut, ohne ein Vertrauensverhältnis mit ihm zu haben.

JONATHAN Deshalb kannst du ganz leicht betrogen worden sein.

CARLOS Und du bist wahrscheinlich betrogen worden.

NICK Der brauchte dringend Geld. Der hatte keine Zeit, selbst nach dem Schatz zu suchen. Das war eine einmalige Gelegenheit.

JONATHAN Die Karte, die du gekauft hast, ist nicht echt.

NICK Die Karte sieht authentisch aus.

JONATHAN Vielleicht sieht sie authentisch aus, aber sie ist nicht echt.

LUCY Echte Schatzkarten werden nicht in irgendwelchen Shops oder Cafés verkauft. Das gibt es nicht.

CARLOS Du hast nicht rational gehandelt.

RITA Du hast wieder einmal irrational gehandelt.

CARLOS Und das liegt an der Authentizität dieser Karte.

LUCY Das liegt an dieser Authentizität.

JONATHAN Diese Authentizität der Karte hat dich so magisch angezogen.

RITA Du bist schon wieder einmal auf Authentizität hereingefallen.

CARLOS Du hast von jemandem, den du zufällig kennen gelernt hast, eine Schatzkarte gekauft. Aber diese Karte war bestimmt nicht teuer.

NICK Ich habe viel Geld dafür bezahlt. Eine echte Schatzkarte ist eben teuer. Wenn ich mich nicht sofort entschieden hätte, dann hätte sie jemand anderes gekauft. Ich bin froh, dass ich mich so schnell entschieden habe.

RITA Du hast eine Schatzkarte gekauft. Aber du bist kein Abenteurertyp.

JONATHAN Du bist kein Abenteurertyp.

CARLOS Wenn du kein Abenteurertyp bist, dann nützt dir eine Schatzkarte nichts.

NICK Ich weiß nicht, warum du das sagst. Warum sagst du das zu mir? Ich habe gedacht, dass wir Freunde sind. Ich habe gedacht, dass wir ein Freundschaftsverhältnis haben.

LUCY Du hast nie den Eindruck eines Abenteurertyps gemacht.

RITA Du bist einfach kein Abenteurertyp.

NICK Wenn ich kein Abenteurertyp wäre, hätte ich so eine Karte nicht gekauft.

CARLOS Dann such jetzt den Schatz.

JONATHAN Such diesen Schatz.

LUCY Such diesen Schatz, wenn du ein Abenteurertyp bist.

CARLOS Du kannst überhaupt nicht nach einem Schatz suchen. Du bist depressiv.

NICK Warum sagst du das? Warum sagst du so etwas, wenn wir ein Freundschaftsverhältnis haben?

LUCY Du bist depressiv. Und wenn du depressiv bist, dann nützt dir eine Schatzkarte nichts.

NICK Ich weiß nicht, warum du das sagst.

JONATHAN Du ergreifst keine Initiative.

RITA Du kannst keine Initiative ergreifen.

LUCY Wenn du keine Initiative ergreifen kannst, wirst du nie ein Abenteurertyp.

RITA So wirst du kein Abenteurertyp.

NICK Seitdem ich diese Karte habe, fühle ich mich wie ein Abenteurertyp. Ich bin jetzt ein Abenteurertyp.

CARLOS Du kannst nicht zur selben Zeit depressiv sein und ein Abenteurertyp sein.

JONATHAN Das geht nicht zur selben Zeit.

RITA Ein depressiver Abenteurertyp, das gibt es nicht.

CARLOS Schatzkarten helfen nicht gegen Depressionen.

LUCY Die verstärken Depressionen.

NICK Du willst mir diese Karte ausreden, weil du selbst diese Karte haben willst. Du hättest gern diese Karte, aber ich gebe sie dir nicht. Ich gebe sie dir nicht, obwohl wir ein Freundschaftsverhältnis haben.

CARLOS Dann behalte die Karte.

JONATHAN Behalte die Karte und such den Schatz.

2

RITA Du hast nicht an unseren Vertrag gedacht. In diesem Vertrag steckt so viel Arbeit. Und ich bin so stolz auf diesen Vertrag. Aber das ist dir egal. Du hast unseren Vertrag gebrochen.

NICK Ich habe den Vertrag nicht gebrochen.

RITA Du hast dein ganzes Geld für diese Schatzharte ausgegeben und jetzt hast du kein Geld mehr, dass du auf das Konto einzahlen kannst. Du kannst den vereinbarten monatlichen Fixbetrag nicht mehr auf das Konto einzahlen und damit brichst du den Vertrag.

NICK Ich werde die vereinbarten Beträge auch in Zukunft einzahlen.

RITA Von welchem Geld?

NICK Ich werde die vereinbarten Beträge später einzahlen.

RITA Ich verstehe nicht, was du damit meinst. Wann willst du die Beträge einzahlen?

NICK Ich zahle sie zu einem späteren Zeitpunkt nach.

RITA Durch dein Verhalten gefährdest du unseren Vermögensaufbau. Der Vertrag sichert uns einen kontinuierlichen Vermögensaufbau. In fünfzehn Jahren werden wir über ein kleines Vermögen verfügen. Wir werden noch keine Millionäre sein, aber wir werden über ein bestimmtes Vermögen verfügen. Und das werden wir dem Vertrag zu verdanken haben.

NICK Das weiß ich.

RITA Deshalb verstehe ich nicht, dass du es riskierst, den Vertrag zu brechen. Wenn du die monatlichen Beträge nicht mehr einzahlst, dann brichst du damit den Vertrag.

NICK Ich werde die vereinbarten Beträge nachzahlen.

RITA Der Vertrag sieht so eine Möglichkeit nicht vor. Diese Möglichkeit haben wir in dem Vertrag nicht berücksichtigt. Und das mit gutem Grund. Ich möchte auch gar nicht, dass diese Möglichkeit in dem Vertrag festgeschrieben ist.

NICK Ich verspreche dir, das Geld nachzuzahlen. Das verspreche ich dir.

RITA Warum versprichst du mir das? Warum versprichst du mir etwas, das ich gar nicht will? Das verwirrt mich. Ich will nicht, dass du mir das versprichst, weil ich nicht will, dass du das tust. Wenn jeder seinen Betrag dann einzahlen dürfte, wenn er wollte, dann bräuchten wir ja gar keinen Vertrag. Dann wäre ein Vertrag überflüssig.

NICK Es ist eine Ausnahme.

RITA Der Vertrag gestattet solche Ausnahmen nicht.

NICK Die Schatzkarte war eine einmalige Gelegenheit. Ich musste die Karte kaufen.

RITA Das interessiert mich nicht. Das interessiert mich nicht. Du weißt, was passiert, wenn einer den Vertrag bricht. Dann fällt das bis dahin gesparte Geld zur Gänze dem anderen zu. Wenn du den Vertrag brichst, dann gehört das ganze Geld mir.

NICK Das weiß ich.

RITA Wenn du den Vertrag brichst, dann brauche ich dich auch nicht mehr zu lieben. Das steht auch in dem Vertrag.

NICK Ich weiß.

RITA Das hast du unterschrieben.

NICK Das habe ich unterschrieben.

RITA Aber ich liebe dich und ich möchte dich immer lieben. Deshalb bitte ich dich, den Vertrag nicht zu brechen. Wenn du den Vertrag brichst, dann müsste ich aufhören, dich zu lieben. Aber das will ich nicht.

NICK Ich werde den Vertrag nicht brechen.

RITA Daran, wie sehr ich auf der Einhaltung dieses Vertrags bestehe, erkennst du, wie sehr ich dich liebe. Du weißt, wie wichtig mir der Vermögensaufbau ist. Ich werde nicht zulassen, dass irgend etwas meinen Vermögensaufbau gefährdet. Deshalb verlange ich von dir, dass du diese Schatzkarte sofort wieder verkaufst.

NICK Das geht nicht.

RITA Ich verlange von dir, dass du sofort wieder die Beträge einzahlst.

NICK Das kann ich im Moment nicht.

RITA Zahl sofort wieder die Beträge ein. Du brichst den Vertrag.

NICK Ich zahle es nach. Das verspreche ich dir.

RITA Ich will nicht, dass du mir das versprichst. Hör auf, mir das zu versprechen.

3

CARLOS Auf der Ebene, auf der ich jetzt bin, geht es um die Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen getroffen werden. Da geht es um diese Geschwindigkeit. Und wenn du für diese Geschwindigkeit nicht geeignet bist, dann bist du für diese Ebene nicht geeignet.

JONATHAN Dann bist du für dieses Stockwerk nicht geeignet.

LUCY Wenn du nicht für dieses Stockwerk geeignet bist, dann musst du es eben wieder verlassen.

CARLOS Ich will diese Ebene nicht wieder verlassen.

NICK Das verstehe ich. Das verstehe ich. Aber das interessiert mich nicht.

CARLOS Diese Position habe ich nur erreicht, indem ich meine Kreativität erhöht habe. Auf dieser Ebene geht es um Geschwindigkeit und Kreativität. Wenn ich meine Position behalten will, dann darf ich mich nicht ausruhen.

RITA Dann ruhe dich nicht aus.

LUCY Und erhöhe nochmals deine Kreativität.

CARLOS Diese Ebene habe ich nur erreicht, weil ich diese Tees getrunken habe.

RITA Dann trinke diese Tees eben weiter.

CARLOS Ich habe mehr als zwanzig Tassen am Tag getrunken, um diese Ebene zu erreichen.

NICK Das weiß ich. Das hast du erzählt. Das weiß ich.

JONATHAN Das weiß ich auch. Aber das hat nichts mit mir zu tun. Das hat einfach nichts mit mir zu tun.

LUCY Trink eben weiterhin zwanzig Tassen. Oder erhöhe die Dosis.

NICK Aber wenn du mehr als zwanzig Tassen trinkst, dann kippt das wieder in diesen Zustand.

JONATHAN Das kippt wieder in diesen Zustand von übersteigerter Kreativität.

RITA Und diese übersteigerte Kreativität verführt zu kriminellen Handlungen.

NICK Diese übersteigerte Kreativität zwingt dich zu kriminellen Handlungen.

JONATHAN Diese besondere Kreativität führt zu Kriminalität.

LUCY Das führt zu Kriminalität.

RITA Und das kann nicht in deinem Interesse sein.

JONATHAN Du kannst die Dosis nicht erhöhen, ohne in diesen Zustand zu kippen.

LUCY Das funktioniert nicht.

NICK Damit kann ich mich jetzt nicht beschäftigen. Ich muss mich auf dieses Seminar vorbereiten und ich weiß nicht, wie ich mich darauf vorbereiten soll. Bei diesem Seminar wird so viel Risikobereitschaft verlangt und diese Risikobereitschaft habe ich nicht.

RITA Dann entwickle eben diese Risikobereitschaft.

JONATHAN Entwickle die Risikobereitschaft, die dort verlangt wird.

NICK Das habe ich auch versucht. Aber irgendwie hat das nicht funktioniert.

CARLOS Dann versuch es noch einmal.

NICK Ich sollte diese Risikobereitschaft in mir spüren, aber ich spüre sie nicht.

LUCY Du kannst nicht in so kurzer Zeit eine totale Risikobereitschaft entwickeln.

CARLOS Eine totale Risikobereitschaft kannst du nicht in ein paar Tagen entwickeln.

JONATHAN Dafür brauchst du drei Monate.

RITA Du versuchst immer, alles abzukürzen. Aber das geht nicht. Das geht einfach nicht.

CARLOS Das ist ein Prozess.

LUCY Das ist ein Prozess, den du nicht abkürzen darfst.

RITA Wenn du versuchst, diesen Prozess abzukürzen, dann entwickelst du keine wirkliche totale Risikobereitschaft. Sondern irgendwas anderes.

LUCY Ja. Da entwickelst du irgendwas anderes.

JONATHAN Du entwickelst das Gegenteil.

CARLOS Du entwickelst Angst vor deiner Risikobereitschaft und von dieser Angst kannst du nicht profitieren.

NICK Bei diesem Seminar geht es darum, gefährliche Dinge zu tun.

RITA Was denn für gefährliche Dinge?

NICK Es geht darum, auf gefährliche Dinge vorbereitet zu sein. Es geht darum, ob du auf so was vorbereitet bist. Ich bin nicht auf gefährliche Dinge vorbereitet. Ich muss an dieser Vorbereitung arbeiten. Ich muss an diesem Zustand von Vorbereitetsein arbeiten. Aber ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Ich muss dieses Sicherheitsgefühl herstellen und zur selben Zeit weiß ich, dass es in dieser Situation keine Sicherheit gibt. Ich muss spüren, dass mir nichts passieren wird, obwohl mir etwas passieren wird.

JONATHAN Dieses Seminar ist nicht verpflichtend.

NICK Wenn du nicht daran teilnimmst, dann wird das festgehalten. Und wenn das festgehalten wird, dann bedeutet das, dass es verpflichtend ist.

LUCY Da geht es nicht um gefährliche Dinge.

CARLOS Da geht es darum, Ängste abzubauen.

RITA Bau deine Ängste ab.

NICK Ich kann meine Ängste nicht abbauen, wenn ich gleichzeitig Angst habe. Das geht nicht zur selben Zeit.

CARLOS Ich habe einmal an einem solchen Seminar teilgenommen und mir ist nichts passiert.

LUCY Dir wird nichts passieren.

JONATHAN Was soll dir denn passieren?

NICK Bei diesem Seminar geht es darum, ob du allein eine Nacht im Wald verbringen kannst.

RITA Dann verbring allein eine Nacht im Wald.

CARLOS Verbring allein eine Nacht im Wald und profitiere davon.

NICK Ich will nicht allein eine Nacht im Wald verbringen. Da geht es um diese speziellen Fähigkeiten.

LUCY Was denn für spezielle Fähigkeiten?

NICK Ich verfüge über diese speziellen Fähigkeiten, aber ich verfüge darüber nicht in der Dunkelheit.

LUCY Was meinst du damit? Was meinst du damit?

NICK Ich verfüge über diese speziellen Fähigkeiten nur bei Tageslicht. Ich kann diese speziellen Fähigkeiten nicht in der Dunkelheit anwenden.

RITA Die anderen können das.

JONATHAN Die anderen können ihre speziellen Fähigkeiten auch in der Dunkelheit anwenden.

LUCY Ich verstehe das nicht mit diesen speziellen Fähigkeiten. Ich verstehe das nicht mit diesen speziellen Fähigkeiten und der Dunkelheit.

CARLOS Wenn du das nicht kannst, dann wirst du deine Position nicht halten können.

LUCY Ich muss mich auch an diesen Gedanken gewöhnen. Ich werde auch einmal allein eine Nacht im Wald verbringen müssen, wenn ich weiterkommen will.

JONATHAN Wenn du nicht allein eine Nacht im Wald verbringen willst, dann musst du dich krank melden.

RITA Und wenn du dich krank meldest, dann heißt es, dass du wieder Depressionen hast.

CARLOS Dann hast du Depressionen statt nachts im Wald deine Depressionen in Kreativität zu verwandeln.

LUCY Ich muss mir auch überlegen, wie ich meine Depressionen, die ich bestimmt einmal haben werde, in Kreativität verwandeln kann.

NICK Ich kann nicht allein eine Nacht im Wald übernachten. Ich kann das einfach nicht.

JONATHAN Das interessiert mich nicht. Das interessiert mich nicht. Ich muss endlich meine Rohstoffe abbauen. Meine Kontobetreuerin hat zu mir gesagt, dass ich jetzt endlich damit beginnen muss, meine Rohstoffe abzubauen. Wir müssen ein Modell entwickeln auf der Basis unseres Vertrauensverhältnisses. Ich habe so viele Rohstoffe angehäuft. Das habe ich einfach übersehen. Und diesen Berg von Rohstoffen muss ich jetzt abbauen.

RITA Was denn für Rohstoffe?

CARLOS Das geht doch nicht einfach so.

LUCY Was denn für ein Modell?

JONATHAN Für diesen Abbau brauche ich das richtige Werkzeug. Und meine Kontobetreuerin hat genau das richtige Werkzeug für mich. Das ist eine Kreditkarte. Mit dieser Kreditkarte werde ich meine Rohstoffe abbauen.

CARLOS Eine Kreditkarte hilft dir nicht dabei, deine Schulden abzubauen.

NICK Das kann ich mir nicht vorstellen.

JONATHAN Das ist ein ganz neues Produkt. Eine vollkommen neue Karte.

LUCY Aber die kann dir nicht dabei helfen, deine Schulden abzubauen.

JONATHAN Das ist das Besondere daran.

RITA Und wie macht sie das?

LUCY Wie macht das diese Karte?

JONATHAN Die Karte ist violett. Die ist neu und die ist violett.

RITA Und was bewirkt diese violette Karte?

JONATHAN Ich brauche die Karte nur zu verwenden. So oft wie möglich. Damit baue ich meine Rohstoffe ab.

CARLOS Ich glaube nicht, dass das funktioniert.

LUCY Ich sollte mir auch so eine Karte besorgen. Zurzeit muss ich noch keine Schulden abbauen, aber das kommt bestimmt. Im Moment muss ich meine ganze Kraft darauf verwenden, von dieser Praktikantenstelle wegzukommen. Ich muss endlich von dieser Praktikantenstelle weg.

NICK Du hast doch gerade erst angefangen.

RITA Du hast erst angefangen und da ist es irgendwie verständlich, dass du auf dieser Stelle bist.

LUCY In derselben Abteilung gibt es noch eine andere Praktikantin. Und diese Praktikantin versucht, meine Freundschaft zu gewinnen. Die will um jeden Preis meine Freundschaft.

JONATHAN Das kann dir helfen.

RITA Davon kannst du vielleicht profitieren.

LUCY Aber diese Praktikantin ist sechzig und ich kann nicht mit einer sechzigjährigen Praktikantin befreundet sein.

NICK Weis das nicht zurück.

CARLOS Weis es auf keinen Fall zurück.

LUCY Diese sechzigjährige Praktikantin weiß genau, dass ich erst vierundzwanzig bin, aber sie spricht mich als Gleichaltrige an. Sie spricht mich als sechzigjährige Praktikantin an, obwohl ich keine sechzigjährige Praktikantin bin. Sie spricht mit mir, als wären wir zusammen aufgewachsen und wären in dieselbe Klasse gegangen. Aber das sind wir nicht. Sie erzählt mir, was sie am liebsten zu Mittag isst und was sie am liebsten zu Abend isst und wann sie am Abend schlafen geht. Und sie will, dass ich ihr dieselben Dinge auch von mir erzähle. Und das kann ich nicht. Ich kann ihr nicht erzählen, was ich am liebsten zu Mittag esse.

NICK Weis dieses Freundschaftsangebot nicht zurück.

RITA Handle nicht irrational.

JONATHAN Handle nicht schon wieder irrational.

4

LUCY Als ich dir das Geld gegeben habe, hast du mir versprochen, dass du es verdoppeln wirst.

CARLOS Ich habe dir ein Angebot gemacht. Und du bist auf dieses Angebot eingegangen.

LUCY Du hast ein Versprechen gemacht.

CARLOS Du hast das Angebot als Versprechen interpretiert. Du hast das Angebot falsch interpretiert.

LUCY Was heißt das? Was heißt das?

CARLOS Ich habe dir ein Angebot gemacht und ich habe dich über die Risiken aufgeklärt. Du hast unterschrieben, dass du über die Risiken aufgeklärt worden bist.

LUCY Das habe ich unterschrieben. Aber ich habe nicht unterschrieben, dass ich einverstanden bin, wenn das ganze Geld verschwindet.

CARLOS Du hast unterschrieben, dass du dieses Risiko eingehst.

LUCY Das habe ich, glaube ich, nicht unterschrieben. Ich habe unterschrieben, dass ich über etwas aufgeklärt worden bin, aber ich habe nicht unterschrieben, dass ich irgend etwas eingehe.

CARLOS Du kannst jetzt nicht sagen, dass du nicht informiert worden bist.

LUCY Du hast nicht gesagt, dass mein Geld verschwinden wird. Vielleicht hast du gesagt, dass es unter Umständen, die niemals eintreten werden, verschwinden kann, aber das ist nicht dasselbe. Das ist einfach nicht dasselbe. Außerdem ist die Unterschrift nicht gültig. Diese Unterschrift ist nicht gültig und deshalb fordere ich jetzt mein Geld zurück.

CARLOS Die Unterschrift ist gültig.

LUCY Zu dem Zeitpunkt, als ich das unterschrieben habe, habe ich gedacht, dass ich extrem risikofreudig bin. Ich bin aber draufgekommen, dass ich nicht extrem risikofreudig bin. Ich bin noch nicht so weit. Deshalb ist die Unterschrift nicht gültig.

CARLOS Doch. Diese Unterschrift ist gültig.

LUCY Du hättest mich davor bewahren müssen, das zu unterschreiben. Du hättest mich zurückhalten müssen, dir das Geld zu geben. Das wäre deine Aufgabe gewesen.

CARLOS Ich habe dich davor bewahrt, einen Fehler zu begehen. Ich habe dich davor beschützt, dein Geld falsch anzulegen.

LUCY Das verstehe ich jetzt nicht. Das verstehe ich jetzt nicht.

CARLOS Du wolltest das Geld unbedingt verdoppeln und ich habe dich davor beschützt, es zur Bank zu bringen. Auf der Bank hätte man dich falsch beraten und davor habe ich dich beschützt. Wenn ich dich nicht beschützt hätte, dann hättest du das ganze Geld verloren.

LUCY Das verstehe ich nicht. Ich habe ja das ganze Geld verloren.

CARLOS Du hast es nicht verloren. Es ist verschwunden, aber ich arbeite daran, dass du es wieder bekommst. Ich denke über Strategien nach. Ich brauche die richtige Strategie dafür.

LUCY Wir haben ein Vertrauensverhältnis und deshalb habe ich dir auch das Geld gegeben. Ich habe es dir gegeben, weil du mich nicht betrügst. Aber jetzt glaube ich, dass du mich betrogen hast.

CARLOS Ich habe dich nicht betrogen.

LUCY Ich habe auch nicht das Gefühl, betrogen worden zu sein. Und das bringt mich durcheinander. Ich bin betrogen worden und dass ich nicht das Gefühl habe, betrogen worden zu sein, das muss an diesem Vertrauensverhältnis liegen. Irgend etwas mit diesem Vertrauensverhältnis ist nicht in Ordnung.

5

NICK Ich war heute in der Stadt und da habe ich ein Über-Ich gekauft.

JONATHAN Was meinst du damit?

RITA Was heißt das? Was heißt das?

NICK Es gibt dafür einen ganz speziellen Shop und in diesem Shop habe ich mich beraten lassen.

JONATHAN Was für ein Shop?

NICK Ich habe nicht damit gerechnet, dass dieses Über-Ich so teuer ist. Ich habe mich beraten lassen und dann habe ich eines gekauft.

CARLOS Ich glaube nicht, dass dieses Gerät so heißt.

LUCY Dieses Gerät heißt anders.

CARLOS Dieses Gerät heißt ganz bestimmt anders.

NICK Die haben es so genannt.

LUCY Das kann ich mir nicht vorstellen.

NICK Dieses Gerät heißt Über-Ich und dieses Über-Ich brauche ich dazu, den Schatz zu finden. Ohne dieses Über-Ich kann ich den Schatz nicht suchen. Man kann damit telefonieren und es hat einen Kalender und es hat eintausend andere Funktionen.

RITA Aber du brauchst kein Telefon dazu, einen Schatz zu suchen.

JONATHAN Und du brauchst auch keinen Kalender dazu.

NICK Es hat einen GPS-Empfang. Und ich brauche nur die Zahlen, die auf der Karte stehen, einzugeben. Diese Zahlen sind Koordinaten und wenn ich die Koordinaten eingegeben habe, dann zeigt dieses Über-Ich an, wo der Schatz liegt.

RITA Dann gib die Koordinaten ein.

CARLOS Gib die Zahlen ein und such den Schatz.

JONATHAN Such endlich diesen verdammten Schatz.

NICK Ich habe die Zahlen, die auf der Karte stehen, eingegeben, aber irgend etwas stimmt damit nicht.

LUCY Was stimmt damit nicht?

RITA Das sind keine Koordinaten.

JONATHAN Die Zahlen sind verschlüsselt.

CARLOS Du hast verschlüsselte Zahlen in dein Über-Ich eingegeben.

LUCY Ich glaube nicht, dass dieses Gerät so heißt. Dieses Gerät heißt anders.

NICK Dieses Gerät heißt Über-Ich.

JONATHAN Aber irgend etwas mit diesem Über-Ich stimmt nicht.

RITA Oder irgend etwas mit dieser Karte stimmt nicht.

CARLOS Dieses Gerät findet keine Schätze, sondern dieses Gerät verwaltet deine Termine. Dieses Gerät kann einhundert Termine am Tag verwalten. Dieses Gerät plant einhundert Termine und erledigt einhundert Anrufe für dich.

LUCY Aber dieses Gerät findet keine Schätze.

CARLOS Dieses Gerät verwaltet Termine und es verwaltet Gefühle.

NICK Das glaube ich nicht.

JONATHAN Dieses Gerät wird deine Termine verwalten und es wird deine Gefühle verwalten.

RITA Du hättest dich in dem Shop beraten lassen sollen.

NICK Ich habe mich beraten lassen.

RITA Das glaube ich nicht.

CARLOS Ich habe auch einmal so ein Über-Ich gehabt. Und es hat meine Termine verwaltet und meine Gefühle verwaltet.

JONATHAN Dieses Gerät unterstützt Gefühle.

LUCY Dieses Gerät unterstützt Gefühle. Dieses Gerät wirkt unterstützend.

RITA Aber wenn du nicht aufpasst, dann kann dieses Gerät auch deine Gefühle durcheinander bringen.

JONATHAN Desorganisieren.

RITA Von desorganisierten Gefühlen kannst du nicht profitieren.

CARLOS Das machen diese Geräte, wenn du dich zu wenig mit ihnen beschäftigst. Wenn du dich nicht den ganzen Tag damit beschäftigst, dann bringen die deine Gefühle durcheinander.

LUCY Die erledigen einhundert Anrufe für dich, aber gleichzeitig ordnen sie deine Gefühle um.

JONATHAN Und das merkst du gar nicht. Das merkst du überhaupt nicht.

CARLOS Das geschieht gleichzeitig und verdeckt.

RITA Das ist das Besondere daran. Das geschieht verdeckt.

NICK Ich habe dieses Über-Ich gekauft, um damit den Schatz zu suchen, und ich gebe dieses Über-Ich nicht zurück. Du hättest selbst gern so ein Über-Ich, aber du kannst dir dieses Gerät nicht leisten. Du hast zu wenig Geld, um dir so ein Gerät zu kaufen. Aber das geht mich nichts an. Wir haben ein Freundschaftsverhältnis und dieses Freundschaftsverhältnis versuchst du auszunützen, um an dieses Über-Ich zu kommen.

CARLOS Du hast schon wieder dieses Fieber.

RITA Das stimmt.

JONATHAN Du musst irgendwas gegen dieses Fieber tun.

LUCY Und du tust nichts dagegen.

NICK Ja. Ich habe dieses Fieber. Ich suche einen Schatz und da ist es ja ganz selbstverständlich, dass man Fieber hat. Ich habe Fieber und ich werde nichts dagegen tun. Wenn ich das Fieber senke, dann höre ich vielleicht auf, von dieser Karte magisch angezogen zu sein. Und ich höre vielleicht auf, nach dem Schatz zu suchen.

RITA Du hast dich verändert.

JONATHAN Deine Persönlichkeit hat sich verändert.

CARLOS Ich finde das nicht gut, dass sich deine Persönlichkeit so leicht verändern kann.

NICK Ja. Ich habe mich verändert. Diese Karte hat mich verändert und ich bin froh, dass mich diese Karte so verändert hat.

LUCY Und dieses Über-Ich wird dich noch weiter verändern.

NICK Dann wird es mich eben noch weiter verändern.

CARLOS Aber dann muss ich meine Gefühle für dich überdenken.

NICK Dann überdenke deine Gefühle.

CARLOS Und ich muss dieses Freundschaftsverhältnis überprüfen.

NICK Dann überprüfe es. Überprüfe das Freundschaftsverhältnis. Ich werde es auch überprüfen.